to gender or not to gender…

to gender or not to gender…

To gender or not to gender, das ist hier die Frage… 

 

… die sich Shakepeare als Brite ja nie stellen musste. Oder war er, oder pardon, gar eine Britin? Oder ein Britens? In diesem Fall ist die Irritation wohl eher verschwörungstheoretischer Natur, nicht zuletzt durch Roland Emmerichs „Anonymous“. Die Irritation, die die Debatte um das sprachliche Geschlecht auslöst, ist allerdings sehr real. Kaum ein Thema wird zurzeit so kontrovers diskutiert und bei kaum einem Thema positionieren sich Menschen so leidenschaftlich wie beim Thema „Gendern“. Wieso eigentlich? Und hat eine Seite mehr recht als die andere?   

Gemäß der Befürworter des Genderns soll man also die Sprache möglichst so gestalten, dass die bisher gültige Form, die oft in der maskulinen Überzahl ist, zu Gunsten einer gleichberechtigten oder neutralen Form geändert wird. Warum? Weil unsere Sprache uns beeinflusst und dabei unser Denken und damit die Realität prägt – mehr oder weniger subtil, mehr oder weniger bewusst. Die vermehrte Nennung maskuliner Formen beeinflusst somit also Sender und Empfänger in einer Art, die auch maskuline Formen außerhalb der Sprache, im „real life“ quasi, in gewisser Weise unverhältnismäßig stark repräsentiert und befördert, während nicht-männliche Formen unterrepräsentiert bleiben. Sprich: Wer übermäßig in männlichen Formen spricht, unterstützt damit die real existierende Ungleichheit der Geschlechter in sozialen Gefügen.  

Dass unsere Sprache unsere Realität beeinflusst, wissen wir nicht erst seit Ludwig Wittgenstein. Realitäten werden sprachlich mindestens geformt, wenn nicht sogar konstruiert. Yuval Noah Harari schreibt von kollektiven Geschichten, die uns gar erst zu dem gemacht haben, was unser Mensch-Sein maßgeblich ausmacht. Das Narrativ als Autor unserer Welt. Es ist also richtig, dass man aufpassen muss was man sagt, dass Sprache ein mächtiges Instrument ist, das nicht erst die Sophisten als Mittel dazu verwendet haben, um ihre Zwecke durchzusetzen.  

Auf der anderen Seite ist Sprache etwas, das über einen sehr langen Zeitraum organisch gewachsen ist und sich dabei jeweils die Sprache durchgesetzt hat, die vom Sprecher-Kollektiv angenommen und verwendet wurde. Auf Grund von sprach-ökonomischen Gründe, modischen Tendenzen oder anderen Motive, die aber selten von einer Obrigkeit ausgegangen sind. Nicht mal Luthers Versuche, den lateinischen Einfluss zu verringern, haben sich außerhalb der Bibel wesentlich durchgesetzt – so sagen heute wohl nur die wenigsten Menschen statt Fenster (vom lateinischen fenestra) „Tagleuchter“ oder statt Kloster (vom lateinischen claustrum) „Jungfernzwinger“. Warum eigentlich nicht? Macht der Gewohnheit? Bequemlichkeit? Sperrigkeit? Es gäbe ja auch genügend Gegenbeispiele, wie den l´ordinateur in Frankreich, der sich gegen den Computer durchsetzen konnte, obwohl der durchaus bereits damals eine gewisse Lobby hatte. Auch Wortneuschöpfungen wie das omnipräsente Handy sind trotz scheinbar künstlicher Wurzeln fest im Sprachgebrauch verwachsen.  

Ganz zu schweigen vom Vorreiter Schweden, der seit einigen Jahren sehr gute Erfahrungen macht mit neuer, geschlechterneutraler Sprache (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/studie-aus-schweden-geschlechtergerechte-sprache-wirkt/24906988.html).  

Wieso tun wir uns also so schwer mit „Liebe Leser*innen“ oder gar „Liebens Lesens“?  

Aber unabhängig von ästhetischen Empfindungen und Bequemlichkeit zurück zur Ausgangsfrage.  

Würde es dazu beitragen, dass mehr Frauen akademische Grade erlangen, wenn zum Beispiel auch Titel wie der des Doktors zum Dr.ens geändert werden? Hätte ein konsequentes Gendern den Effekt, den man sich davon erhoffen würde? Laut der oben verlinkten Studie würde es das, ja. Und wäre es dann nicht der Mühen wert, Sprache mit mehr Achtsamkeit zu verwenden? Wir haben schließlich mittlerweile auch gelernt „Schokoküsse“ zu sagen und Floskeln wie „bis zur Vergasung“ zu meiden.   

Diese Frage, ob und wie man gendern soll, ist so einfach aber wohl dennoch nicht zu beantworten. Fest steht aber, dass die omnipräsente Diskussion selbst unsere Aufmerksamkeit auf eine Ungleichheit lenkt, um deren Ausgleich man sich bemühen sollte. Welche Wege dabei dem Ziel näherführen, wird auch durch die Debatte um das Gendern ein bisschen klarer werden – und allein deswegen ist mindestens die Debatte keinesfalls umsonst.  

 

 

 

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